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04
Oktober
Nach mehr als 6 Wochen in Brasilien
Hallo alle zusammen.
Ihr wundert euch sicherlich, warum ich am selben Tag 2 Berichte veroeffentliche, aber sie sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschrieben worden und ich kam erst jetzt dazu sie ins Netz zu stellen. ( Ich bin ja immer sooo beschaeftigt) Ola meus amigos! Wie geht es euch im herbstlichen Deutschland. Immer wieder versuche ich mich an den Herbst zu erinnern und mich in die Temperaturen hineinzuversetzen, aber es mag mir angesichts der Sonne hier nicht so recht gelingen. Dennoch bin ich oftmals mit meinen Gedanken bei euch, vor allem in den Stunden, die ich im Garten verbringe. Es passieren den Tag über immer viele kleine Wunder, die mich erfreuen und die ich euch gerne mitteilen möchte, die aber auch schnell wieder in Vergessenheit gelangen. Diese kleinen Aufmerksamkeiten helfen mir auch über den Alltagstrott hinweg, der sich nun nach einigen Wochen so langsam einschleicht. So erlebe ich durch meine Arbeit in der Natur auch die Natur anders, mit einem viel bewussteren Auge. Im Garten begegnen mir manchmal Insekten, die ich mein Leben noch nicht gesehen habe, zarte farbenfrohe Schmetterlinge oder sehr interessante Raupen. Die letzte Woche haben wir das Unkraut und all den Müll der sich so angesammelt hat verbrannt. Das Feuer brannte eine Woche lange und obwohl ich eigentlich gegen diese einfache Art der Müllverbrennung bin, habe ich meine innerlichen Widerstand aufgegeben, weil es einfach zu viel Müll ist und er auch nicht abgeholt wird, bzw nur ganz selten. Und dass ist dann auch eine Schau. Wenn die Müllabfuhr durch Alagoinhas fährt bzw die Straßenreinigung, dann ist dies wie eine Inversion. Mit einmal fährt ein oranges Auto vor, spuckt 15 orange Menschen mit Besen und Schaufel aus, die kehren dann ein bisschen, nach einiger Zeit werden sie wieder eingesammelt und der Spuck ist vorbei,…. Arbeitskräfte kosten halt noch nichts, daher kann man sich dies leisten. Ansonsten pflanzen und hacken wir sehr fleißig. Die Erdbewegungen, die ich oft mit dem Schubkarren vollziehe lassen mich immer an meine Oma erinnern, die es auch liebte Erde von der einen Ecke in die andere Ecke des Gartens zu fahren. Und ich warte immer noch darauf, dass ich bei den Grabearbeiten den grossen Schatz finde. Ich habe bereits sehr viele Flaschen, CD, Flip Flops und Sandalen gefunden,…. Macro: Das ist mein Zimmer, bzw mein Stockbett mit einer sehr, sehr duennen Matratze bei der man alle Holzlatten spuert. Am Wochenende waren Wahlen. Es war sehr ruhig. Davor war es aber ziemlich turbulent. In Brasilien macht man Wahlwerbung mit grossen VW-Busen, die mit riesigen Lautsprechern bestückt sind und ein flottes Lied des jeweiligen Kandidaten mit seinen Wahlversprechungen und der Nummer trällert. Man wählt hier die Nummer. Dies ist echt interessant, weil mir erscheint es fast so, dass derjenige, der die „eingehenste“ Melodie hat, der hat die besseren Chancen. Es werden keine Wahlplakate angebracht, sondern viele Mauern und Häuserwände mit den Namen und der jeweiligen Nummer des Kandidaten bemalt. Genauso, wie oftmals am Straßenrand angeheuerte Leute stehen und für eine Partei die Fahne schwenken. Ein anderes bedrückendes Thema hier ist die Gewalt. Sie fängt im Kleinen an: schon die Kinder bei der Brincadeira müssen wir auf Waffen hin kontrollieren und eine meiner Hauptaufgaben in der Autowerkstatt ist darauf aufzupassen, dass die Großen nicht immer mit Gewalt den Kleinen den Hammer wegnehmen. Was so anfängt nimmt oftmals seinen Lauf und endet dann so, wie es vergangene Nacht passiert ist. Gleich in der Nähe, im Vale wurde letzte Nacht der Bruder von einem Gehörlosen, der bei mir im Garten arbeitet, erschossen. Angeblicher Grund sind Streitereien. Passiert einfach, ich spüre nicht einmal eine große Betroffenheit oder Wut bei den Menschen – es gehört schon fast zum Alltag – der zweite Mord durch eine Schusswaffe innerhalb von 3 Monaten hier in unserem kleinen Stadtviertel. Vor einer Woche hat sich genau gegenüber von Taize ein Jugendlicher beim spielen mit der Waffe in den Arm geschossen – ein Schuss hat sich gelöst, mitten am Nachmittag, 50 Meter weit entfernt waren 120 Kinder beim spielen in der Brincadeira,…. Mit diesen Erlebnissen scheint es mir unverständlich, wie ein Volk für den freien Waffenbesitz im letzten Jahr stimmen konnte. Messerstechereien sind schon fast an der Tagesordnung – und die Spirale dreht sich immer weiter – man nimmt Rache und wieder Rache,…. Ist jemand beleidigt, bringt man gleich jemanden um,…. Im Kontrast dazu stehen dann immer die sehr schönen Dinge, wie z. B. das Wiedersehen nach 3 Jahren mit Gisa, Gelianie und all den anderen Mitbewohnern der Gemeinschaft MFRAC. Diese haben damals meine ersten Schritte in Brasilien begleitet und nun hatte ich zufällig die Möglichkeit sie alle kurz zu besuchen. Es war sehr schön und ich habe mich sofort wieder heimisch gefühlt an diesem Ort. Besonders berührt war ich von dem großen Zusammenhalt aller, die dort wohnen. Seit 3 Monaten liegt Gisas behinderter Sohn Fernando im Krankenhaus von Salvador, auf „Halbintensiv“ und seid 3 Monaten sind Tag und Nacht jeweils 2 bei ihm und begleiten ihn. Diese große Familie die sich um ihn in seinen wahrscheinlich letzten Tagen kümmert, ist so stark und voller Glauben und Liebe, dass ich ganz berührt davon war und wieder einmal spürte, dass es Menschen auf dieser Welt gibt, die die Liebe Gottes leben und weitergeben. Macro: Hier koennt ihr meine lieben Mitbewohnerinnen sehen Mit diesen vielen Eindrücken grüße ich euch ganz herzlich und möchte mich auch bedanken bei allen, die an mich denken, für mich beten, mir schreiben und einfach mich mitbegleiten auf meinem Weg hier in Brasilien. Ich weiß, dass noch einiges hier auf mich an Überraschungen und Veränderungen wartet und ich schau gespannt darauf. Muitos abracos De Magdalena PS Meine geniale WG hat eine Website eingerichtet. Dort könnt ihr unter der Rubrik Brasilien auch diese Briefe und manchmal noch mehr lesen und vor allem könnt ihr da ein paar Fotos betrachten, die ich dort reinstelle. www.wgfisch.blogger.de
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